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Zahnbürsten aus Holz, Müsli im Weck-Glas, Shampoo in Seifenform: In Zeiten immer grösserer Umweltverschmutzung und Plastikmüll wird das Bewusstsein der Bevölkerung geschärft, etwas für die Natur zu tun. So kaufen etwa 52 Prozent der österreichischen Haushalte nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) gezielt Produkte mit wenig Umverpackung. Und laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Splendid Research sind 71 Prozent der deutschen Verbraucher begeistert vom Konzept so genannter Unverpackt-Läden, in denen sie sich die gewünschten Lebensmittel wie Reis oder Nudeln in selbst mitgebrachte Behälter abfüllen können. Auf diese verstärkte Nachfrage der Verbraucher nach umweltbewusstem Handeln haben in den vergangenen Jahren viele kleine Händler reagiert: Sowohl in Deutschland als auch in Österreich, der Schweiz und den Niederlanden haben in fast allen Städten ein bis mehrere Unverpacktläden eröffnet. Waren es 2014 noch zwei Läden in Deutschland, sind es hierzulande mittlerweile 70 Läden plus vier in Österreich und acht in der Schweiz, wie auf der Online-Plattform für Umweltnachrichten «utopia.de» zu lesen ist.
Unverpacktläden in jeder Stadt
«Das Thema verpackungsfrei und bewusster Konsum birgt grosse Möglichkeiten für den Handel», sagt Studienleiterin Nadine Corleis von Splendid Research. Denn viele der Befragten (51 %) hätten angegeben, nur deswegen nicht in einem der Unverpacktläden einzukaufen, weil es in ihrer Nähe keinen gibt. Weiter fügt Corleis hinzu: «Das hiesse ja im Umkehrschluss, dass diese Menschen in einem derartigen Laden einkaufen würden, gäbe es ihn vor Ort.»
Dabei sind es laut Splendid Research vor allem Obst, Gemüse und Nüsse, die die Kunden gerne unverpackt kaufen und deren loser Abverkauf auch von Händlerseite her einfach zu handhaben ist. Interessenten können die Ware entweder in selbst mitgebrachte Tüten füllen, direkt in den Einkaufskorb legen – oder ein Angebot wie von tegut nutzen. Das Unternehmen bietet seit Kurzem waschbare Netze an: Von A wie Apfel bis Z wie Zucchini können die Verbraucher lose Ware in diesen vielfach wiederverwendbaren Behältnissen mitnehmen. Das geringe Gewicht der Beutel werde beim Wiegen an den Kassen automatisch abgezogen, teilt tegut mit. Und das Unternehmen geht sogar noch einen Schritt weiter: Es bietet – auf Wunsch – die Produkte der Frischetheke unverpackt an. Ob für Lachs, Antipasti oder Käse, beim Einkauf können die Käufer die mitgebrachte Dose auf einem Tablett über die Theke reichen, das Personal ermittelt das Tara, befüllt die Box und gibt sie auf dem Tablett zurück. Die Verbraucher verschliessen die Dose und erhalten ein Preisetikett, das sie aufkleben. Auch bei Kaufland kommen Konsumenten auf diese Art weiter – das Thekenpersonal befüllt ebenfalls mitgebrachte Boxen.
Antipasti in der Tupperdose
Vor allem ein derartiges Angebot ist es, mit dem Handelsketten die Möglichkeit haben, sich von den Unverpacktläden, die meist keine Frischware anbieten, abzuheben. Ihr Angebot beschränkt sich oft auf das Trockensortiment sowie Öle, Essige, Gewürze, hochwertige Spirituosen, Tee, Backwaren und Waschmittel.
Derweil teilt die Swiss Retail Federation mit, seine Mitglieder böten ebenfalls nach Möglichkeit Obst, Gemüse und Kleinbackwaren im Offenverkauf an sowie in geringerem Mass auch Käse, Fleisch, Fisch und teils auch Take-away-Verpflegungsmöglichkeiten. In Bezug auf Letztere könne der Kunde seine Portionen selbst einpacken oder unverpackt mitnehmen. Daneben stellten Abfüllstationen eine interessante Möglichkeit dar, an denen der Konsument seine Produkte selbst portionieren könne. «Das bedingt aber wieder eine gewisse Kontrolle durch das Personal», so der Verband. Leider schränken auch die Vorgaben der Hygieneverordnung undder Kostendruck (bedient versus Selbstbedienung) die Kreativität des Händlers ein. Die Kennzeichnungspflicht und Allergenauskunft lassen zudem wenig Möglichkeiten.» Was die Akzeptanz eines solchen Angebots angeht, würden vor allem die ältere Generation und Single-Haushalte zu loser Ware greifen. Viele andere jedoch fragten aufgrund des Wunsches nach Convenience und To-go-Produkten in der Schweiz sogar verstärkt verpackte Ware nach.
Bio-Früchte in der Plastikfolie
Warum es ausgerechnet die Bio-Früchte sind, die meist verpackt angeboten werden, erklärt der Verband wie folgt: «Eine nicht manipulierbare Kennzeichnung ist wichtig und die Umstellung auf Offenverkauf nur von Bio-Produkten würde aufgrund der geringeren Menge den Materialverbrauch insgesamt erhöhen. » Um dieses Problem zu lösen, experimentieren derzeit einige deutsche Supermärkte mit so genanntem «Natural Branding», bei dem direkt in die Schale der Frucht die für Bio-Produkte obligatorische Angabe der Öko-Kontrollstelle gelasert wird. Auch Kaufland probiert verschiedene Lösungsmöglichkeiten und teilt mit: «Unsere K-Bio-Bananen etwa sind anstelle von Folienbeuteln mit einer Papp-Banderole versehen. Alleine dadurch sparen wir pro Jahr circa 32 Tonnen Verpackung.»
Zur Plastik-Steuer, über die zuletzt häufiger debattiert wurde, äussert sich wiederum der Handelsverband Österreich: «Diese lehnen wir ab, da sie europäische Unternehmen gegenüber Wirtschaftsräumen wie Asien und Amerika belasten würde.» Jedoch stehe der Handelsverband dem Entwurf der EU-Kommission zur neuen «Plastik-Richtlinie» und damit dem Versuch, leicht ersetzbare Einweg-Plastikprodukte zu verbieten, grundsätzlich positiv gegenüber.
Auch beobachtet der Verband, dass sich viele heimische Händler zuletzt den Zero-Waste-Läden ein Stück weit angenähert haben, indem sie beispielsweise Getreidespender testeten, Milch in Glasflaschen anböten und immer mehr Obst und Gemüse auch unverpackt verkauften.