Deutscher Jagdverband
Anna Martinsohn, stellvertretende Pressesprecherin des Deutschen Jagdverbands, zum Segment der Wildspezialitäten und der Problematik der Afrikanischen Schweinepest
Die Afrikanische Schweinepest, die sich auch auf Wildschweine überträgt, steht kurz vor den Grenzen Deutschlands. Wie werden Jäger und Anbieter von Wildbret verhindern, dass sich die Seuche auf das Angebot im LEH auswirkt?
Jäger haben keinen Einfluss auf Preisentwicklungen im Lebensmitteleinzelhandel. Im Rahmen von Präventionsmaßnahmen sind Jägerinnen und Jäger in Deutschland angehalten, die Wildschweinpopulation zu reduzieren. Sollte es dann zu einem Seuchenfall in Deutschland kommen, sorgt ein geringer Wildschweinbesatz in der Theorie dafür, dass sich das Virus weniger schnell ausbreitet. Hauptüberträger des Virus ist und bleibt jedoch der Mensch - nicht, indem er die Erreger in sich trägt, sondern indem er zum Beispiel en Wurstbrot in den Wald wirft. Der LEH kann durch die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten seinen Teil zum Absatz des erhöhten Wildbretaufkommens beitragen.
Beobachten Sie bereits Vorbehalte seitens der Verbraucher / einen Rückgang beim Konsum von Wildschwein-Produkten?
Im Moment können wir in der Direktvermarktung keine Vorbehalte der Verbraucher feststellen. Regional kann es aufgrund erhöhter Wildmengen zur Überschreitung von Abnahmekapazitäten bei Wildhändlern kommen. Deshalb lohnen sich Kooperationen mit regionalen Metzgern oder Zerlegebetrieben.
Ist die Gesundheit von Menschen durch kontaminierte Tiere überhaupt gefährdet?
Die Afrikanische Schweinepest zählt nicht zu den Zoonosen und kann dementsprechend nicht auf den Menschen übertragen werden. Haus- und Wildschweine sind gleichermaßen empfänglich für das Virus.
Infiziertes Schweinefleisch ist völlig ungefährlich für den Menschen und könnte gegessen werden. Um eine Verschleppungsgefahr allerdings komplett auszuschließen, sollten infizierte Schweine nicht zu Lebensmitteln verarbeitet werden. Nachweislich wurde die Seuche beispielsweise von der Ukraine ins Baltikum über kontaminierte Rohwurst eingeschleppt.
Welches sind die beliebtesten und umsatzstärksten Wildprodukte?
Wildschwein ist mit 8846 Tonnen die am meisten gegessene Wildart, gefolgt von Rehwild mit 6042 Tonnen und Rot- und Damwild mit 3350 Tonnen.
Welches Trendpotenzial hat Wild?
Immer mehr Verbraucher fragen Wildbret nach, zum Beispiel auch als Alternative zu Bio-Fleisch, denn Wild hat ein Leben lang in Freiheit gelebt, keine Medikamente oder Hormone bekommen und keinen Tiertransport zum Schlachthof hinter sich. Zudem ist es mager, reich an ungesättigten Fettsäuren und – entgegen der landläufigen Meinung – in der Küche schnell und leicht zu verarbeiten.
Spielt die Herkunft des Wildfleisches eine Rolle bei der Kaufentscheidung?
Verbraucher orientieren sich zunehmend an den Kriterien Regionalität und Saisonalität. Wildbret bedient beides. Es ist kein Produkt von der Stange, sondern eher ein Lebensmittel mit Geschichte.
Wir unterscheiden übrigens zwischen Wildbret (das Fleisch von wild lebenden und durch die Jagd erlegten Tieren) und Wildfleisch (in Gattern gehaltene Wildtiere, etwa Damwildgatter). In Gattern gehaltene Tiere bekommen meist Futter, wie Nutztiere auch – schon allein aus dem Grund, weil die Fläche auf der viele Tiere gehalten werden meist zu klein ist, um alle Tiere zu versorgen. Wildbret- und fleisch aus dem Ausland drängt auch auf den Markt, ist aber qualitativ nicht mit regionalem Wild zu vergleichen. Das hat ein NDR-Beitrag kürzlich geprüft.
Gibt es Vorbehalte seitens der Verbraucher, etwa Ängste vor Erregern in Wildfleisch oder Kontamination europäischer Tiere als Spätfolge von Tschernobyl?
Spätfolgen von Tschernobyl haben nur in wenigen Regionen Bayerns und Baden-Württembergs Einfluss und nur auf Wildschweine. Wildschweine wühlen im Boden und nehmen Pilze auf, die das Cäsium 137 enthalten. Andere essbare und jagdbare Tiere sind nicht betroffen. In den benannten Regionen werden erlegte Wildschweine beprobt und bei überschrittenen Grenzwerten verworfen. So kann der Verbraucher sicher sein, dass kein belastetes Wildbret in den Handel kommt. Darüber hinaus werden alle Wildschweine auf Trichinen hin untersucht.
Inwiefern macht für den LEH eine Kooperation mit den regionalen Jägern Sinn?
Für den LEH würde sich die Etablierung eines zwischengeschalteten Einkäufers, etwa einem regionalen Metzger oder Zerlege-Betrieb mit entsprechender Genehmigung rentieren. Direkt vom Jäger abzunehmen ist sicherlich schwieriger, da der Jäger die Tiere in zu kleinen Mengen und meist am Stück (mit Fell) abgibt oder selbst vermarktet. Einen Vorteil (Arbeitserleichterung) erzielt der Jäger nur durch Direktabnahme von ganzen Tieren. Weil Wild tatsächlich „wild“ ist, sind feste Warenmengen und Lieferzeiträume über das gesamte Jahr zwar nicht so leicht planbar, aber in der Saison (September bis Januar) ist Wild definitiv ein kalkulierbares Geschäft. Gerade zur Weihnachtszeit entscheiden sich viele Verbraucher für etwas hochwertiges und besonderes.
Inwiefern kann der LEH bei der Vermarktung Sortimentskompetenz zeigen?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich der Verbraucher keine ausgefallenen Rezepte wünscht, sondern solche, die sich in den Arbeitsalltag integrieren lassen, die schnell und einfach gelingen. Das ist mit Wildbret sehr leicht möglich, da das Fleisch, zum Beispiel vom Reh, verglichen mit anderen Wiederkäuern (z.B. Rind) viel kurzfaseriger und somit zarter ist. Auch greift der Verbraucher gern zu einem veredelten Produkt, wie etwa Wildschweinsalami mit Mandeln und Rosinen oder Wildschweinschinken mit Fenchelkruste. Durch eine vom Standard abweichende Veredelung sind große Margen drin. In einigen Großstädten wird Wildbret zur Saison frisch an den Fleischtheken der Discounter angeboten. Die Teile, die wir gesehen haben, waren frisch und aus der Region, hatten aber ihren Preis, allerdings: der Verbraucher bezahlt es, da es eben kein Produkt von der Stange ist.
Geheimtipp aus dem Wald
Mit Wildspezialitäten kann sich der Handel profilieren und bio-affine Kunden ansprechen. Innovative Produkte helfen, das Image von Wild aufzupeppen.
Hirsch-Stifado mit Zwiebeln, Wildschweinwurst vom Grill und Burger mit Rotwild-Patties. Wildgerichte erfinden sich derzeit neu und lassen sich somit nun ganzjährig vermarkten. So heisst es etwa bei Geti Wilba: «Wild-Artikel sind in der Lage, das «saisonale Denken» zu überbrücken und als ganzjähriger Artikel genossen zu werden. Hier ist ein klares Umdenken beim Handel erforderlich.» Dass das funktioniert, machen Länder wie Italien vor: «Dort kommen Wildprodukte seit Jahren ganzjährig auf den Teller», berichtet Karl Berger, Geschäftsführer von Hochländer Wild.
Im Grunde trifft Wild auch den Nerv der deutschen Verbraucher, so eine Erkenntnis der Hersteller. Denn die Produkte bedienen den Trend hin zu Natürlichkeit und Gesundheit, Regionalität sowie Saisonalität. «Im Grunde erfüllt Wildbret alle Anforderungen an Bio-Fleisch. Die Tiere leben meist in abgelegenen Gebieten, die fast völlig frei sind von Kunstdüngern und Pestiziden aus der Landwirtschaft», sagt Berger. Auch der Deutsche Jagdverband sieht Wild als Alternative zu Bio-Fleisch, da es frei von Hormonen und Medikamenten sei und die Tiere meist artgerecht in freier Wildbahn lebten. Dazu ergänzt Berger: «Heimisches Wild stammt nur zu etwa fünf Prozent aus Gatterhaltung, der Grossteil wird aber im Wald erlegt.»
Wenig Fett, viele ungesättigte Fettsäuren
Auch die Qualität des Fleisches – im Vergleich mit Produkten von Geflügel, Rind oder Schwein – kann sich durchaus sehen lassen: So zeichnet es sich laut dem Deutschen Jagdverband durch seine Zartheit aus, was an den relativ kurzen Fasern liegt. Auch ist Wildbret – so betonen die Josef Maier GmbH und alle andere Lieferanten von Wild – fett- und cholesterinarm, eiweiss- und eisenhaltig sowie reich an ungesättigten Fettsäuren.
Gleichwohl ist derzeit der Verzehr in Deutschland mit 600 Gramm pro Person noch sehr gering, wie Thomas Bittner, Verkaufsleiter bei Wild and More, sagt. Zum Vergleich: Der Pro-Kopf-Verzehr von Schweinefleisch liegt bei 36 Kilogramm jährlich, der von Geflügel bei 12,5 Kilogramm und der von Rind bei zehn Kilogramm – das geht aus dem Geschäftsbericht 2017 des Deutschen Fleischer-Verbandes hervor.
Gut geeignet zum Grillen
Ein Grund dafür, dass Wild so schlecht abschneidet: «Viele verbinden das Fleisch mit saisonalen Anlässen wie Weihnachten und mit schweren, deftigen Gerichten wie Braten mit Sosse und Knödeln», sagt Karl Berger. Die Zielgruppe und damit die Käufer von Wildfleisch seien vor allem die älteren Verbraucher. Um das zu ändern hat etwa Geti Wilba in Kooperation mit der Firma Intercookies24 und dem Magazin «Lecker» die Marke «Lecker Burger » gelauncht, unter der das Unternehmen Wildschwein- und Hirschpatties anbietet. Das Unternehmen Josef Maier hat ein Rezeptbuch mit neuen Ideen für die Zubereitung von Reh, Hirsch und Wildschwein entwickelt. Vermehrt kommen im Sommer auch Steaks und Würste vom Wild auf den Grill, beobachtet man bei Hochländer Wild. Sie sorgten für willkommene Abwechslung und bedienten den Trend hin zu einer modernen Küche.
Die Innovationen im Segment scheinen zu fruchten, denn wie der Deutsche Jagdverband berichtet, steigt die Zahl der Verbraucher, die Wildspezialitäten nachfragen. Für eine erfolgreiche Vermarktung gilt es auch zu kommunizieren, dass Wild entgegen der landläufigen Meinung in der Küche schnell und leicht zu verarbeiten ist. «Dies geschieht am besten durch veredelte Produkte», rät Thomas Bittner. Dabei betont er: «Man sollte es den Verbrauchern so leicht wie möglich machen und etwa fertig marinierte Spiesse und zugeschnittene Steaks anbieten.» Natürlich dürften am Point of Sale auch Rezepte nicht fehlen, denn die wenigsten wüssten, mit Wildprodukten etwas anzufangen. Anna Martinsohn vom Deutschen Jagdverband ergänzt: «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich der Verbraucher keine ausgefallenen Rezepte wünscht, sondern solche, die sich in den Arbeitsalltag integrieren lassen, die schnell und einfach gelingen.» Man müsse den Kunden die Berührungsängste nehmen.
Wildspezialitäten in der Bedientheke anbieten
Bei der Frage SB oder Theke rät Gero Jentzsch vom Deutschen Fleischer-Verband, Wildspezialitäten in der Bedientheke anzubieten. «Für ihren Verkauf ist fachlich kompetente Beratung erforderlich.» Der Verkaufserfolg lasse sich auch dadurch steigern, wenn man den Verbraucher gezielt auf Wildprodukte im Sortiment hinweise.
Allerdings sind Wildspezialitäten oft auch teurer als Bio-Fleisch – obwohl keine Kosten für Haltung und Aufzucht entstehen. Das erklärt Karl Berger mit dem vergleichsweise hohen Logistik-Aufwand: «Relativ wenige Tiere müssen über recht weite Strecken aus dem Wald transportiert werden», sagt er. Zudem variiere das Wild in Grösse und Qualität variiere und erhöhe damit den Verarbeitungsaufwand. Doch wie Anna Martinsohn sagt: «Wenn die Stücke frisch und aus der Region sind, sind die Verbraucher bereit, den Preis zu zahlen.»