«Auf die Neugier der Kunden setzen»

Mittwoch, 02. Mai 2018

Tosin A. David, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Tosin David | Services Hannover, im Interview

Wie bringt man den Kunden an die Theke und bewegt ihn zum Kauf?
Beim Kauf spielen Faktoren wie Neugier, Erlebnis, Moral, Gesundheit und Spass eine Rolle. Kochen und Essen ist Lifestyle, diesen Trend sollte sich das Personal zunutze machen. Kleine Verkostungen, Produktvorführungen und emotional gestaltete Aktionstafeln und Werbung führen den Kunden zur Käsetheke. Dort angekommen braucht der Kunde Informationen rund ums Produkt, Beratung und Service. Die Kunden haben in einer von Medienskandalen geprägten Welt viele Fragen zum Produkt und freuen sich über Antworten sowie Tipps, Rezepte- und Verzehrideen. Um Zusatzkäufe anzuregen, dürfen Kunden auch auf weitere Produkte hingewiesen werden, beispielsweise passende Weine, Trauben, Saucen.

Welche Rolle spielen dabei die Produkte, welche die Thekenkräfte?
Die Produkte können nicht sprechen – Verkäufer aber schon. Deshalb muss ihnen das Thekenpersonal die Stimme leihen und ihre Vorzüge anpreisen. Ausserdem gibt eine gezielte Beratung dem Kunden das Gefühl, wichtig zu sein und steigert sein Wohlgefühl. Das ist für den Verkaufserfolg entscheidender als die als selbstverständlich erachtete Qualität und der Preis.

Welche Rolle spielt bedientes Verkaufen heute?
Der moderne Konsument sucht Wohlbefinden. Es geht nicht mehr nur darum, das Bedürfnis nach Essen zu stillen, sondern dem Kunden ein Erlebnis zu bieten. Geschichten, nützliche Infos rund um die Produkte, Empfehlungen und ein freundlicher, persönlicher Kontakt sind hier ausschlaggebend. Mit Hilfe von emotionaler Kommunikation und Sprache, die verkauft, geben engagierte Verkäufer ihren Kunden in Form ihrer Produkte gute Gefühle mit auf den (Heim-)Weg. Somit wird bedientes Verkaufen zur Schlüsselrolle. Denn zwischen Produkt und Preis steht immer der Mensch.

Wie ticken Konsumenten heute?
Der Kunde ist informiert, aufgeklärt und findet (fast überall) ein passendes (Vergleichs-) Angebot. Er leidet oft unter Zeitmangel, ist gestresst und von der Werbung reizüberflutet. Auf den ersten Blick erscheint der Online-Handel eine attraktive Alternative zu sein, um seine Bedürfnisse schnell, unkompliziert und zielorientiert zu befriedigen. Was bei Kleidung, Bücher, Elektronik, Schmuck & Co. funktioniert, erfährt seine Grenze beim Online-Kauf von Lebensmitteln. Kunden sind es gewöhnt, in der Filiale einzukaufen und bevorzugen es, Lebensmittel anzufassen. Erst dann landet die Ware im Einkaufswagen. Zudem ist das Rückgaberecht ein Hindernis. Kunden lassen sich daher aus den Lebensmittel-Shops im Internet häufig nur Getränke und schwere Kartons liefern.

Sie sagen, dass jeder Unternehmer seine Nische finden muss. Welche lässt sich an der Käsetheke besetzen?
Zunächst muss die Nische mit Hilfe einer detaillierten Ist-Analyse der eigenen Situation und der der Mitbewerber gefunden werden. Stellen Sie sich vor Ihre Theke und sprechen Sie mit Ihren Kunden. Häufig ist der Handel zu sehr auf Umsatz fokussiert. Viel wichtiger ist es aber, sich auf das Einkaufs-Erlebnis für den Kunden zu fokussieren und damit positive Mund-zu-Mund-Propaganda in Gang zu bringen. Präsentieren Sie Ihr Produkt in dem Licht, in dem es der Kunde sehen will und schaffen Sie damit Anziehungskraft.

Siehe auch Interview mit Christian Pelka, SCM unten in der Randspalte

 

Mehrwerte für die Theke

Anfang 2016 hat Nielsen noch rund 14 000 Käsetheken in Deutschland gezählt, Ende 2017 waren es hingegen nur noch 12 800. Ein Grund für die abnehmende Anzahl der Käsetheken sind laut dem Marktforschungsinstitut die permanenten Abschmelzungsprozesse im Filialnetz der Supermärkte. Dies bestätigt auch Christian Pelka, Sales Promotion Manager bei Switzerland Cheese Marketing (SCM): «Der Abbau findet nach unseren Kenntnissen auf Kleinflächen unter 800 Quadratmetern statt.» Ein weiterer Grund ist der Kunde, der wohl lieber ins SB-Regal greift.

Fokus auf Premium-Qualität

Naht also das Ende der Bedientheke? Nein – und darin sind sich die Hersteller von Käsespezialitäten alle einig. Allerdings muss dies auch etwas differenziert betrachtet werden. «Wir sehen diese Entwicklung als Survival of the fittest», erklärt dazu Katharina Enzmann, Trade-Marketing-Leiterin bei Emmi. In dem Kontext spielt der Kunde eine nicht unwesentliche Rolle. «Der Verbraucher will zwar seine Bedürfnisse schnell und unkompliziert befriedigen, andererseits aber auch beim Einkauf seine Neugier gestillt und ein Erlebnis geboten bekommen», erklärt die Unternehmensberaterin Tosin A. David. «0-8-15-Theken» funktionieren daher längst nicht mehr. «Heute werden die Märkte mit ansprechenden Frischetheken ausgestattet, in denen Premium-Qualität auf dem Vormarsch ist», sagt Jan Roelofs, Managing Director bei Beemster. Damit könne sich der LEH vom Discounter abheben  – zum einen über das viel grössere Sortiment, zum anderen über die Bedienung und Beratung.

Kundenorientiertes Sortiment

Die Kunst besteht nun darin, den Verbraucher an die Käsetheke zu locken. Hierzu ist nicht nur eine kundenorienierte  Sortimentspolitik gefragt, sondern auch qualifiziertes Verkaufspersonal. «Über die emotionale Ansprache und den Aspekt Genuss, den der Kunde über die Verkostung erfährt, lässt sich Käse erfolgreich an der Theke verkaufen», so Pelka. Über die kulinarische Ausstrahlung könne das Verkaufspersonal mit dem Kunden sozusagen interagieren. Insofern gilt es also, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers zu gewinnen. «Hierzu müssen Industrie und Handel zusammenarbeiten, um attraktive Mehrwertkonzepte anzubieten», sagt Ioana Vrabie, Senior Brand Manager bei Friesland Campina. «Erlebnis-Shopping » lautet hier das Stichwort. Das Zusammenspiel aus Themensortimenten, Regionalem, Spezialitäten, Verkostungen und Storytelling sorgt dabei für die nötige Impulskraft und Aufmerksamkeit.

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News

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Interview

Lesen Sie auch das Interview mit Christian Pelka, Sales Promotion Manager bei Switzerland Cheese Marketing, am Ende der Randspalte. 

 

Tipps

Wie sich Käse erfolgreich an der Käsetheke verkaufen lässt

  • Beemster rät dem Handel, den Theken eine stärkere kulinarische Ausstrahlung zu verleihen. Darüber könne die Bedienkraft mit dem Kunden interagieren. Zum Beispiel mit Probieraktionen und sinnesorientierten Präsentationen, die emotional berühren und Lust auf’s Probieren und Kaufen der Produkte machen.
  • Emmi legt in seinen Schulungen Wert darauf, den Stellenwert des Einpackens zu vermitteln. Viele Käsesorten seien aufgrund ihrer Form, ihres Käseteigs, der Rinde und Laib-Etiketten wahre Hingucker, die an der Theke entsprechend präsentiert und zum Mitgeben hübsch verpackt werden sollten. Das gebe dem Verbraucher zuhause das Gefühl, etwas ganz Besonderes gekauft zu haben. Ausserdem weiss Emmi, dass sich höherpreisige Spezialitäten überzeugender verkaufen lassen, wenn die Thekendamen die Geheimnisse des Produktes preisgeben und seine Geschichte erzählen.
  • Die Käserebellen raten dem Lebensmittelhandel, an der Theke experimentierfreudig zu sein. Der Konsument sei neugierig und nutze die Möglichkeit, die Käsesorten zu verkosten und durch Beratung kennen zu lernen. Mit besonderen Innovationen, Kreationen und Aktivitäten lasse sich Neugier oder Spannung für das ausgewählte Sortiment wecken.
  • Friesland Campina weiss aus internen Marktforschungen, dass mindestens 30 Prozent der Verkostungskontakte einen direkten Verkauf auslösen. Die Möglichkeit, probieren zu können, könne den Shopper inspirieren und vom Kauf überzeugen. Rezeptvorschläge und Empfehlungen von passenden Komplementärprodukten wie Wein, Brot, Chutneys und Co. unterstreichen die Kompetenz des Fachpersonals.

     

    Info

Höhlengereifter Käse

Höhlengereifter Käse ist geschmackvoller und würziger als herkömmlich gereifter Käse. Das Geheimnis des besseren Geschmacks liegt in der relativ hohen Luftfeuchtigkeit von über 90 Prozent und den natürlichen Klimabedingungen, unter denen sich Mikrokulturen besser entwickeln können. Emmi setzt seit 1993 mit der Marke «Kaltbach» auf höhlengereiften Käse, die sich steigender Beliebtheit erfreut. Heute zählen die höhlengereiften Spezialitäten zu den achtstärksten Umsatzbringern an den Käsetheken in Deutschland. Der veredelte Käse ist an der dunkelbraunen, rustikalen Rinde erkennbar. Und: Für die Zusatzbezeichnung «höhlengereift» muss ein Emmentaler AOP mindestens zwölf Monate alt sein, davon muss er mindestens sechs Monate in einem Felsenkeller reifen.
Die für Kaltbach-Höhle bestimmten silofreien Rohmilch-Käse stammen von ausgesuchten Käsereien. Sie finden im Sandstein des Santenbergs optimale Bedingungen: Die Temperatur liegt bei einer konstanten Temperatur von 10 bis 12 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit bei 96 bis 98 Prozent.  Die Höhlenkäsemeister sorgen dafür, dass der Käse kontrolliert reift und das gewünschte Aroma entwickelt.
In der Kaltbach Höhle lagern heute  18 000 Laibe Emmentaler AOP, 28 000 Laibe Le Gruyére AOP sowie 110 000 weitere Schnittkäsesorten.

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